Was Ende Oktober das Trio Animae mit
Donizetti, Rachmaninoff, Bragato und Pugliese auf den Weg brachte, das hat
jetzt der Pianist Bela Hartmann über die Ziellinie gehen lassen, den "Musikalischen
Herbst". Erfreulich gut besucht war die letzte Veranstaltung in der Villa
Bosch. Das Programm, so konnte man es einordnen, als Spiegelbild der Natur,
die mit dem Abwerfen der restlichen Blätter schon wieder neue Kraft für den
Frühling sammelt. Ein Mozart, ein Schubert in Moll, ein Janácek in
Todesahnungen, der Tscheche Petr Eben, der sich mit dem geistig umnachteten
Kafka verbündete. Bela Hartmann, in Stuttgart geboren, von namhaften
Lehrern ausgebildet und mit Preisen ausgezeichnet, fand den jeweils
spezifisch einleuchtenden Zugang für die fünf Komponisten. Seine Wiedergaben
wurden mit Anerkennung aufgenommen, gegen Ende mit großem Lob bedacht.
Hartmann bedankte sich mit Schubert (Tänze) und Beethoven (Bagatellen).
Hartmann ist nicht nur ein technisch versierter Pianist, er ist auch
auslotender Gestalter - bisweilen ein wenig eigenwillig. So ist er eben, und
das bringt dem Zuhörer neue Einsichten. So münzte er das a-Moll der Mozart-Sonate,
Köchelverzeichnis 310, via Lebenstrauer aus. Nicht nur das. Er brachte den
dionysischen Mozart in die Nähe Beethovenscher Tragik. Zum Beispiel im
Allegro maestoso, wo die Bässe geradezu trotzig gesetzt wurden. Was
Beethoven in den langsamen Sätzen seiner Klavierkonzerte so andächtig singen
läßt, das war schon Mozart möglich. Bela Hartmann bewies es mit dem Andante
in einer gezielten Mischung von Cantabile und starkem Ausdruck. Das Presto
ließ er förmlich über die Tasten fliegen.
Für Beethoven selbst ging Hartmann von der Trauer und Wehmut aus, die den
Variationen F-Dur, op.34, anhaften. Löste die Vorlagen des "Großmeisters der
Veränderungen" in den verschiedenen Facetten ein. Ausgehend von dem
Grundthema des "Adagio cantabile" setzte Hartmann die Bässe schroff gegen
den Diskant. Herausragenden Eindruck machte er mit der fünften Variation in
c-Moll mit dem punktierten Marsch, erinnerte, nach den gebrochenen Akkorden
und Trillerketten, an das Finalmotiv der Sonate "Les adieux" - Abschied.
Düsterer ging es zu in Janáceks Sonate "1. X. 1905", die von den
revolutionären Tagen Brünns inspiriert wurde. Dazu setzte Hartmann in "Vorahnung"
schmerzlich-tristaneske Akkorde, für den "Tod" eine Tonwelt des
Unabänderlichen, einhergehend mit Verklärung und Widerspruch, dass mit dem
Stillstand des Herzens alles vorüber sein soll. Dankbar war man, den
Komponisten Petr Eben zu erfahren, wie er sich mit dem in sich zerrissenen
Franz Kafka, mit dessen Briefen an Milena Jesenská, auseinandersetzt: In
punktueller Manier mit einem Hauch von Verbindlichkeit, mit der
melancholischen Stille, die an Schubert mahnt und mit der klanglichen Mixtur
der Töne.
Schuberts Sonate a-Moll, op. 143, zum Abschluss. Eine schwieriges Werk,
in dem die wenigen Lichtblicke von dramatischen Ausbrüchen erstickt werden.
Bela Hartmann empfand das Allegro giusto als Kondukt nach, als Trauergeleit,
aus dem man hämmernd-dämonische Schreie zu hören glaubte. Das Andante litt
ein wenig unter der Überkonzentration des Pianisten. Für das Allegro vivace
hingegen hatte Hartmann alles wieder im Griff. Geläufigkeit war gefragt,
unterbrochen durch laufende Kontraste, womit man mit dem zweiten Ich
Schuberts konfrontiert wurde - mit einem zwischen Himmel und Abgrund.
Gerhard Hellwig |